Denkmale
Leeve Jonges,
wie war das noch mit dem „Nischel“? Erbittert stritten die früheren Karl-Marx-Städter und heutigen Chemnitzer nach der Wende über die Frage, ob das 40 Tonnen schwere Karl-Marx-Monument in der Stadt bleiben oder abgerissen werden soll. Am Ende gab es in der Partnerstadt Düsseldorfs ein Bekenntnis zur Geschichte. Der Bronzekopf des „Nischel“ (Marx-Spitzname) ist geblieben.
Der Umgang mit der Geschichte, nicht nur der deutschen, ist allenthalben schwierig. In den USA werden im Zuge der Rassismus-Debatte Kolonialherren vom Sockel geholt. Aus Großbritannien erreichen uns ähnliche Bilder. Auch lokal wird gestritten: Unlängst erst wurden in einer Nachbarstadt Düsseldorfs Straßenschilder mit „belastenden Namen“ abgeräumt. Auch da gab es Proteste. Ich wünsche mir bei der Umbenennung von Straßen mit belastenden Namen das bedeutende Frauen der Stadt und seiner Region den Vorzug erhalten um das derzeitige Ungleichgewicht, von Frauen und Männern, bei den Straßenbezeichnungen zu verringern.
In jedem Fall ist es legitim, die Geschichte und deren bildliche Zeugnisse im Rahmen eines demokratischen Prozesses neu zu bewerten. Demokratische Prozesse schließen Bilderstürmerei aus. Die aktuellen Diskussionen um das Nazi-Denkmal am Reeser Platz oder über den Entwurf eines Denkmals für Schwule und Lesben sind nicht nur nachvollziehbar: Sie bezeugen historisches wie künstlerisches Engagement in einer Stadtgesellschaft. Das ist respektabel.
Wenn´s allzu hitzig und damit unübersichtlich zu werden droht, dann pflegen Politiker, wie gerade in der Stadt zu erleben, „heiße Eisen“ in den Kühlschrank zu legen. Das darf man ihnen nicht verübeln. Vor allem in einem Wahlkampf werden heiße Eisen selten angepackt, um Chancen nicht zu verspielen.
Über Geschmack kann man trefflich streiten. Die Empfehlungen der Kunstkommission sind diskussionswürdig und für mich oft nicht nachvollziehbar.
Ich selbst gehöre zu denen, die den Vorschlag, am Reeser Platz einem missliebigen Nazi-Denkmal einen entideologisierten Entwurf (Rampe) überzustülpen, nicht überzeugend finden. Da hätte ich mir lieber den 2. Sieger gewünscht. Das Kriegerdenkmal einfach unter einen grünen Hügel zu legen.
Auch teile ich die Sorgen derer, die den Denkmal-Entwurf für Schwule und Lesben missverständlich nennen. Wir Jonges unterstützen ideell und materiell das Anliegen der LSBT-Gruppe. Aber muss es so aussehen das man dabei an die Vorkriegszeit denkt? Da gefallen mir die Art und Form der Mahnmale in Trier und Wiesbaden schon eher.
Und nun? Die Politik ist gefragt und wird hoffentlich die beiden Vorschläge der Kunstkommission nicht so einfach durchwinken oder umsetzen.
Die Suche nach dem Optimalen oder gar Idealen mag gelingen oder nicht: Sie lohnt in jedem Fall. Wer jetzt Druck macht und sofort eine Entscheidung fordert, ist nicht gut beraten. Gut Ding will Weile haben, sagt der Volksmund. Es pressiert nicht. Geben wir uns deshalb Raum fürs Nachdenken und Diskutieren. Ich jedenfalls setze auf neue Ideen, die eine politische Entscheidung am Ende belastbar machen. Und wenn an diesem Ende eine andere Entscheidung stehen sollte, dann ist auch das eine Entscheidung.
Bleibt gesund…
Euer Baas
W. Rolshoven