23. Oktober 2020

Düsseldorf persönlich

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Ein neues Düsseldorf-Buch ist auf dem Markt. Wenige Monate vor der Kommunalwahl hat der bis zum 31.10.2020 regierte Oberbürgermeister Thomas Geisel zur Feder gegriffen. „Düsseldorf persönlich“ hat der seine Wiederwahl anstrebende Sozialdemokrat exakt 134 Seiten überschrieben. Der Droste-Verlag ist Pate einer Art Zwischenruf aus der „Metropole im Kleinformat“. Der gebürtige Schwabe formuliert darin eine Liebeserklärung und verspricht, ob er wiedergewählt werde oder nicht - er bleibe der Stadt am Rhein mit dem „schönsten Rheinufer der Republik“ erhalten. „Heimat ist, wo ich alt werden möchte“, sagt er. Mit oder ohne Amt: Der 56jährige Jurist möchte in Düsseldorf alt werden. Da er ab 1.11.2020 ohne Amt ist werden wir ihn an seiner Aussage messen.

 

Ihren Sinn erfährt diese aufgeschriebene und 18 Euro teure Liebeserklärung aus dem Kommunalwahlkampf 2014. Er gewann seinerzeit sozusagen aus dem Nichts die Stichwahl gegen Dirk Elbers mit beachtlichem Vorsprung. Eine Mehrheit toleranter Bürger in einer weltoffenen Stadt verbannte Kleinmut und Arroganz auf die Oppositionsbank.

 

In diesem Buch erfährt der Leser, wie ein Schwabe zum Rheinländer wurde – stellvertretend für viele Migranten, die hier am Rhein Wurzel geschlagen haben und der Faszination unserer Stadt sozusagen erlegen sind. Das Cover dieses Buches zeigt Geisel, wie er radschlägt. Das habe ihm Türen geöffnet auch dort, wo konservative Hotspots vermutet werden. Sowohl die Schützen als auch die Karnevalisten haben den „Immi“ aus Schwaben schnell angenommen.

 

Auf 134 Seiten bekommt man die Landeshauptstadt selbst kleingedruckt nicht unter. Was also hat Geisel ausgewählt, was ist ihm (seiner Frau und seinen fünf Kindern) wichtig? Viel Zeit nimmt er sich in dem Buch für die Beschreibung seines als wunderbar empfundenen Wohnviertels am Dreieck in Pempelfort, seiner Annäherung an die Fortuna und dem Tischtennis-Verein „Borussia“, seinem freundschaftlichen, sogar innigen Verhältnis zu den Juden, die in Düsseldorf leben. Drei seiner Kinder haben die jüdische Grundschule besucht.

 

Ein ganzes Kapitel widmet er Garath und was daraus geworden ist („Mein Lieblingsviertel“). Er freut sich über den Start-up-Boom in der Stadt, streift wichtige Gebäude in der Stadt, sitzt sozusagen im Grünen und sieht mit viel Empathie der Stadt von morgen entgegen – inklusive neuer Oper und Schauspielhaus. Unter den wenigen ihm wichtigen Namen nimmt Intendant Wilfried Schulz (Schauspiel) einen prominenten Platz ein. Auch er ein „Immi“.

 

Wichtig sind Geisel die „Düsseldorfer Jonges“, deren Mitglied er ist. Den Platz für seine ursprüngliche Vorstellung, bei den Jonges handele es sich um einen trinkfreudigen Männerclub, hat er in seinem Gehirn längst getilgt. Ich finde mich als Baas dieses Verein in meinem Tun bestätigt, wenn Geisel heute zu Protokoll gibt, die Jonges bewahrten das „kulturelle und historische Erbe unserer Stadt“.

 

Zwischen der Idylle eines Stadtrundganges kommt der Macher und Kritiker Geisel zum Vorschein: Dass er sich um die gesellschaftliche Relevanz der Kirchen sorgt und mit seiner Familie nicht nur bei der Suche nach einem Kita-Platz für seine Kinder in den Fängen zwischen katholisch-evangelisch verheddert hat, war ihm unter dem Stichwort „Toleranz“ ebenso wichtig aufzuschreiben wie die Unsäglichkeiten, die er oft in Kommentaren in sozialen Medien findet. Unbeirrt hält Geisel an einer Namensgebung für den Flughafen (Johannes Rau) fest, im Widerspruch der Düsseldorfer Jonges, an einer Kö ohne Auto-Dominanz, auch an seiner Vorstellung, die Kita-Freiheit nur für jene einzurichten, die es nötig haben. Auf seiner Wunschliste für das NRW-Fest 2022 (das Land wird 75 Jahre alt) steht weiter ein gemeinsames Konzert von „Kraftwerk“ und „Tote Hosen“ auf der Festwiese.

 

Zu 85 Prozent macht Geisel das Mandat als Oberbürgermeister Freude. Zu den 15 Prozent, die er als manchmal sogar unerfreuliche Pflicht bezeichnet, rechnet er Sitzungen der politischen Gremien im Rathaus. Sie sind ihm nicht niveauvoll genug. Auch das steht in diesem Buch, dem der Autor Jens Prüss ein bewertendes Nachwort geschenkt hat und das von Uwe Schafmeister üppig bebildert worden ist. Neben bildlichen Dokumenten für die mitunter provozierende Verkleidungsfreude des Ehepaars Geisel im Karneval gibt es ein politisches Signalfoto: Es zeigt Geisel, wie er sich hinter einer SPD-Stele versteckt. Über das Verhältnis zu seiner Partei schreibt der OB nicht. Es geht ja auch in dem Buch um eine Liebeserklärung.

 

Bleibt gesund…

 

Euer Baas

W. Rolshoven