13. Dezember 2018

Fest der Feste

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Mit dem äußerlichen Bild unserer Stadt hat sich auch in ihrem Leben allzu vieles verwandelt. Wie die neuen Planer bedenkenlost Gaslaternen einreißen, was eine bedächtige und kunstsinnige Vergangenheit für uns aufbewahrte, so lassen wir es geschehen, daß Alt-Düsseldorfer Besitz – ich meine hier die Sitten und Bräuche an Festtagen  - widerspruchslos von sogenannter Moderne überspielt wird. Dass wird den Einsichtigen immer dann besonders bewusst, wenn Feste auf uns zukommen, deren Inhalte sich bis auf den heutigen Tag behauptet haben und uns angehen, ob wir wollen oder nicht. Eine solche Zeit ist Advent, und ein solches Fest ist Weihnachten. Für uns Kinder – es sind allerdings ein paar Jahrzehnte her – begann die weihnachtliche Zeit bereits mit dem Martinsabend und den Vorbereitungen dazu. Ihm folgte fast immer unverzüglich der Winter mit Eis und Schnee. Auch die Jahrzehnte hatten früher mehr Charakter und waren zuverlässiger als heute. Es war nur ganz natürlich, daß Anfang November Schlitten und Schlittschuhe aus dem Keller geholt, Handschuhe, Schals und Pullover aus der Mottenkiste hervorgenommen und zurecht gelegt wurden. Die Weiher begannen zuzufrieren, und bald malten sich Eisblumen auf unseren Fensterscheiben. Die Luft draußen bekam einen seltsam anderen Geruch und Geschmack. Und drinnen in den Häusern duftete sie nach gebackenen Äpfeln und gerösteten Kastanien. Manchmal schlidderten wir schon vor dem Nikolaustag mit unserem Schlitten den Napoleonsberg, die Rennbahn oder sonstige Gefälle herunter. War der Sankt Martin der erste Vorbote des Weihnachtsfestes, so kam mit Sankt Nikolaus der zweite mit schon deutlicherem auf dieses Fest der Feste hindeutendem Vorzeichen. Ließ uns St. Martin gripschen, so durften wir dem zweiten Weihnachtsboten Stiefel, Klotschen oder Holzschuhe vor die Tür hinausstellen, die wir am 6. Dez. morgens in aller Frühe mit Nüssen, Kastanien, Äpfeln, Spekulatius und Printen gefüllt wiederfanden. Daneben oder auch schon am Fußende des Bettes stand ein Weckmann, hochglänzend, mit Korinthen als Augen, Rosinen oder Mandeln als Rockknöpfe und einer weißen Tonpfeife. Die vorweihnachtliche Zeit war wunderbar. Danach sah man die ersten Tannenbäume in den Straßen und es begann die Zeit des Plätzchen backens und der Weihnachtsschmuck und die Krippe wurden aus dem Keller geholt und wir Kinder durften gewisse Schränke nicht mehr öffnen. Wir zählten die Tage und kamen vor steigender Aufregung immer später zum Einschlafen. Einen Tag vor dem Heiligen Abend wussten wir das hinter verschlossenen Türen der Christbaum geschmückt wurde. Unruhig und aufs äußerste gespannt warteten wir am nächsten Tag bis die Glocke klingelt und die Tür auf ging und geblendet von vielem Kerzenlicht einen wunderbar geschmückten Weihnachtsbaum sahen. Wir entdeckten nach und nach ungeahnte Erfüllungen unserer Kinderwünsche.

 

Alle Jahre wieder beobachten wir, wie die Menschen ohne Unterschied erwartungsvoll auf Weihnachten zugehen. Als wäre dort etwas, was alle anginge. Sie werden anders, liebenswürdiger und gebefreudiger. Für eine kurze Spanne Zeit sehen sie über die Grenzen ihrer Eigensucht hinaus. Alle denken sie ans Schenken, selbst die berechnendsten Knicker und gröbsten Banausen. Wem aber müssten wir es noch sagen, daß sich gerade im Schenken, im Geschenk zumal, Charakter und Gesinnung des gebenden Menschen ausdrücken? Wer Schenken und Erfreuen will, schenkt Dinge, die er selber schätzt, mit denen er gern umgeht, die gleichsam zu seiner Welt gehören und an dem der Beschenkte Anteil haben soll. Will er doch seine eigene Freude, sein eigenes Glück mit dem andern teilen. Er wird allen Billigkeitsverführungen – auch den allzu bequemen „Geschäften für Geschenkartikel“ – aus dem Wege gehen.

 

Er wird überlegen und wägen, wem er was schenkt.

 

Auch das kleinste Geschenk, ohne materiellen Wert, kann das schönste Geschenk für den Beschenkten sein.

 

In diesem Sinne wünsche ich uns eine besinnliche Adventszeit und ein hoffentlich friedvolles Weihnachtsfest.

 

 

Euer

 

Baas

 

W. Rolshoven