Gaslaternen & Radverkehr
Leeve Jonges,
mein Bauchgefühl signalisiert: Wenn auch nicht reibungslos, funktioniert das Miteinander von Bürgerschaft und Stadtrat zumindest in Düsseldorf. Die Väter der Kommunalverfassung haben auf Hand-in-Hand gesetzt.
Aktuelles Beispiel 1.
Der Stadtrat hat gerade entschieden, dass von 17 000 Gaslaternen 10 000 erhalten bleiben sollen. 11 Jahre hat es bis zu dieser Entscheidung gedauert. Phasenweise tobte ein erbitterter Streit. Er ging so weit, dass die Ordnungsbehörde Bürgerversammlungen schützen musste. Es drohten Handgreiflichkeiten, das Klima war vergiftet.
Auch die Fraktionen des Rates stritten lange miteinander um den richtigen Weg. Sie stritten mit den Stadtwerken, sie stritten auch mit den Stadtverwaltern. Ehrlich: Wer hatte noch mit einem großen Einvernehmen gerechnet? Oder mit der verbreiteten Einsicht, dass das Erscheinungsbild der Stadt Schaden nähme, wenn man das Kulturdenkmal Gaslaternen abräumte, um angeblich kostengünstiges uniformes LED-Licht zu installieren?
Vor 11 Jahren gab es zunächst kleine und damit überschaubare Proteste. Dass daraus eine Bewegung entstehen würde, hatten die LED-Befürworter nicht auf dem Zettel. Sie waren überzeugt davon, dass ihre Politik des Rechenstiftes am Ende überzeugen würde. Fehlanzeige: Die Gaslichtbewegung, mit den Jonges von Beginn an der Spitze, bekam von Jahr zu Jahr mehr Zulauf. Eine organisierte Bürgerschaft lehrte die Verantwortlichen in Verwaltung, Stadtrat und anfänglich auch bei den Stadtwerken, dass man das Erscheinungsbild einer Stadt wertschätzen soll und nicht ohne Not dem Rechenstift unterordnen darf.
Sinneswandel in den Stadtwerken, Nachdenken in den lokalen Parteien und auch in der Stadtverwaltung. Großes Erstaunen darüber, dass da so viele Bürger*innen aufstanden, die eine emotionale Beziehung zu ihrer Stadt haben. Die neue Stadtdezernentin Cornelia Zuschke, die das Thema Gaslicht von dem nach Köln abgewanderten Ex-Dezernenten Dr. Stephan Keller (aktuell OB-Kandidat der CDU in Düsseldorf) geerbt hatte, begriff schnell. Sie verwarf windige Rechenkunststücke, ging auf die Protestler zu, fand die Stadtwerke plötzlich an ihrer Seite, entgiftete den Streitfall und brachte ihn zu einem guten Ende.
Aufgeführt ist ein Lehrstück der besseren Einsichten und für ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Wählern und Gewählten. Keine Frage: Es sind Wunden geschlagen worden, aber ich setze auf die Wirkung von Heilsalben gegen Misstrauen und Argwohn.
Beispiel 2
Der Streit über die Nutzung von Straßen und Plätzen ist Legende. Nicht nur in Düsseldorf. Der Begriff „Autogerechte Stadt“ ist irgendwann erfunden worden. Heute bekennt sich niemand zur Vaterschaft, weil es inzwischen ums Klima geht. Das hat andere Verkehrsteilnehmer nach vorne gebracht: Fußgänger, Radfahrer und Nutzer von E-Antrieben. Umweltspuren stehen auf der Tagesordnung vieler Kommunen.
Ich selbst habe mein Auto vor längerer Zeit verkauft und bin mit dem Rad unterwegs. Da lernt man Düsseldorf gut kennen und weiß, wo Straßen und Wegeflächen neu verteilt werden könnten. Auf die Idee, dass auf der malerischen Strecke zwischen Altstadt und Kaiserswerth Bedarf an mehr Flächen für einen Zweirichtungsradweg auf der Autostraße besteht, bin ich nicht gekommen. Der Fahrradclub ADFC sieht diesen Bedarf, die sogenannte Rathaus-Ampel (SPD, Grüne, FDP) auch. Nun soll eine „Protected Bike Line“ für Radfahrer vom Joseph-Beuys-Ufer über Cecilienallee, Rotterdamer Straße bis zum Lohauser Deich geschaffen werden in beiden Fahrrichtungen und zu Lasten je einer Autofahrspur. Geht’s noch. Ich fahre doch nicht mit dem Fahrrad auf der neu geschaffenen Radfahrspur wenn links der Autostraße von der Altstadt kommend zeitweise 1-2 wunderbare Radfahrwege am Rhein und unter Bäumen vorhanden sind. Auf der Autostraße düsen die Autos an mir vorbei und ich atme die Abgase ein. Die Begründung: Nur so könnten Radfahrer die Abstandsregeln einhalten. Ich bin nicht ganz sicher, ob das wirklich ernst gemeint ist. TE 150 –TE 200 Kosten kann man in Zeiten von Corona besser einsetzen.
Um den großen Ärger mit der Messe vor allem zu vermeiden, wird die „geschützte Linie“ als temporäre Installation verkauft. Eine „Ist-ja-alles-nicht-so-schlimm-Strategie“. Da ich aber heute bereits Stimmen höre, die von einer „Dauereinrichtung“ sprechen, kann ich an eine Einrichtung auf Zeit nicht so recht glauben. Auch hier wird sich die Bürgerschaft sicher zu Wort melden, um Maß und Mitte zu wahren.
Euer Baas
W. Rolshoven